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Die Therapie des Multiplen Myeloms
Wenn die Diagnose eines Multiplen Myeloms gestellt wird, ist es wichtig zu entscheiden, ob und wann mit einer Therapie begonnen werden muss. Von der “International Myeloma Working Group (IMWG)” wird empfohlen PatientInnen zu behandeln, bei denen durch das Multiple Myelom bedingte Organschädigungen eingetreten sind. Diese sogenannte sekundäre Endorganschädigung wird von der IMWG durch die sogenannten CRAB-Kriterien definiert.
Eine Therapieindikation ergibt sich folglich beim Auftreten folgender klinischer Zeichen:
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Knochenschädigungen, die sich in bildgebenden Untersuchungen nachweisen lassen
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Erhöhung des Serumkalziumwertes (Hyperkalziämie)
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Blutarmut (Anämie)
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Verschlechterung der Nierenfunktion.
Da in den letzten Jahren allerdings immer wirksamere Medikamente mit teilweise sogar günstigerem Nebenwirkungsprofil für die Behandlung des Multiplen Myeloms entwickelt wurden, gibt es mittlerweile auch bereits Studien, in der eine systemische Therapie auch bei PatientInnen, die noch gar keine Symptome entwickelt haben, angewendet wurde. Solche asymptomatische PatientInnen, bei denen jedoch Risikofaktoren nachgewiesen werden, die ein schnelles Voranschreiten der Erkrankung zu Endorganschäden vermuten lassen, werden nach den aktuellen Leitlinien der IMWG daher nun ebenfalls als therapiebedürftig angesehen.
Frühzeitiger Therapiebeginn
Bei PatientInnen mit Multiplem Myelom, bei denen bereits Endorganschäden nachweisbar sind, sollte möglichst frühzeitig nach der Diagnose mit der Therapie begonnen werden. In der Regel gibt es für die PatientInnen die Möglichkeit, die ausgesprochene Therapieempfehlung zu überdenken, mit Angehörigen zu besprechen und gegebenenfalls auch eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Nur in wenigen Ausnahmefällen liegt bereits zum Zeitpunkt der Therapieentscheidung eine so lebensbedrohliche Situation vor, dass sofortige Entscheidungen notwendig sind.
Bei jeder Therapieentscheidung gilt es, Risiken und Nutzen gegeneinander abzuwägen und auch mögliche Folgen der Therapie zu bedenken, die spätere Therapie-Strategien möglicherweise beeinträchtigen. Sie sollten sich von ihrem/r Arzt/Ärztin jedenfalls über die Zielsetzung der empfohlenen Therapie und alle Details der geplanten Therapie informieren lassen.
Therapieziel: Remission
Durch die therapeutischen Maßnahmen kann die Tumormasse der meisten PatientInnen reduziert werden.
Der Therapieerfolg wird anhand des M-Gradienten in der Elektrophorese und der 24-Stunden-Ausscheidung von Leichtketten im Sammelurin zahlenmäßig erfasst.
Wenn kein M-Gradient mehr vorhanden oder keine Leichtkettenausscheidung im Urin nachweisbar ist, wird mittels Immunfixation überprüft ob noch kleine Mengen Paraprotein nachweisbar ist. Ist auch diese Untersuchung negativ und zeigt die meist danach durchgeführte Knochenmarkpunktion weniger als 5 % Plasmazellen im Knochenmark, spricht man von einer kompletten Remission – dem eigentlichen Ziel der Myelom-Therapie.
Was passiert bei einem Wiederauftreten der Krankheitsaktivität?
Ein Wiederauftreten bedingt nicht immer sofort eine erneute Behandlung. Individuell muss abgeklärt werden, inwieweit die erneute Zunahme der Krankheitsaktivität eine Gefahr für die Organe darstellt. Je nach Symptomen oder klinischen Zeichen kann eine erneute bildgebende Untersuchung (Röntgen, CT oder MRT) notwendig sein. Bei einer Zunahme der Krankheitsaktivität wird in der Regel auch das Knochenmark erneut punktiert.
Der Grund für ein erneutes Auftreten der Krankheitsaktivität ist, dass die Myelomzellen während der Therapie Veränderungen ihrer Erbinformation erfahren können, die zu einer erhöhten Bösartigkeit oder zu Resistenzen gegenüber einzelner Therapeutika führen. Der positive Aspekt dabei: es können sich dadurch auch neue, vielleicht wirksamere Therapiemöglichkeiten eröffnen.
Behandlungsziele beim Multiplen Myelom
Die Behandlung eines/einer PatientIn mit Multiplem Myelom hat grundsätzlich drei Zielsetzungen:
Stabilisierung:
Im Zuge eines Multiplen Myeloms kann es zu lebensgefährlichen Komplikationen kommen, die eine akute Intervention erfordern. Situationen (z.B.: akute Verschlechterung der Nierenfunktion oder akutes Nierenversagen, Erhöhung des Serumkalziumwertes/Hyperkalziämie, Blutungen oder Infektionen).
Linderung der Symptome:
PatientInnen mit Multiplem Myelom leiden unter Symptomen wie Knochenschmerzen, Müdigkeit oder neigen zu häufigen Infektionen, die durch die Grunderkrankung ausgelöst werden. Daher es wichtig durch eine erfolgreiche Reduktion der Myelomzellen die dadurch bedingte Symptomatik zu normalisieren und damit eine Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen.
Remission:
Das oberste Ziel der Therapie ist allerdings das Erreichen einer Remission, d.h. eine Verringerung der Krankheitsaktivität (Zurückdrängen der Erkrankung). Diese Remission kann mittlerweile bei fast allen PatientInnen für einen bestimmten Zeitraum erreicht werden. Durch die Kombination neuer Medikamente mit der Hochdosischemotherapie kann diese Remission mittlerweile bei vielen PatientInnen sehr lange anhalten. Inwiefern bei PatientInnen in dieser sog. Langzeitremission von einer Heilung gesprochen werden kann, ist allerdings in Fachkreisen nach wie vor umstritten.
Was bewirkt eine Myelom-Therapie
Durch die Therapie wird im überwiegenden Teil der Fälle die Tumormasse reduziert und eine Remission erreicht, die im Idealfall die Krankheitssymptome zum Verschwinden bringt. Im weiteren Verlauf entwickelt sich eine chronische Erkrankung, die allerdings in den meisten Fällen immer wieder behandelt werden muss, da die malignen Plasmazellen oft Resistenzmechanismen gegen die verwendeten Medikamente entwickelen. Deshalb werden die Abstände zwischen den einzelnen Therapien im Langzeitverlauf meist kürzer.
Eine besonders gute Remission lässt sich mit Hilfe der Hochdosis-Chemotherapie und nachfolgender Blutstammzelltransplantation erzielen.
Chance auf Langzeitremission durch neue Therapeutika:
Durch den Einsatz neuer Substanzen wie Ixazomib, Bortezomib, Carfilzomib, sowie Thalidomid, Lenalidomid, Pomalidomid, Panobinostat, Daratumumab und Elotuzumab konnte die Prognose der PatientInnen mit neu diagnostiziertem und rezidiviertem (wieder aufgetretenem) Multiplem Myelom entscheidend verbessert werden. Teilweise kann durch die Kombination dieser neuen Substanzen mit der Hochdosistherapie sogar eine sogenannte Langzeitremission erreicht werden.
Um die oben genannten Ziele zu erreichen, stehen mittlerweile verschiedene Substanzklassen und Ansätze zur Verfügung.
Im Folgenden sind mögliche Therapeutika, die häufig im Rahmen einer Myelom-Therapie zum Einsatz kommen aufgelistet.
Da sich allerdings Therapierichtlinien und das Angebot an Therapeutika ständig ändern kann dieser Abschnitt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Aktualität bieten. Bitte sprechen Sie daher bei Fragen immer mit Ihrem/r behandelnden Arzt/Ärztin.
Bei den Behandlungsverfahren unterscheidet man grundlegend zwischen:
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Chemotherapien (inklusive der sogenannten “neuen Substanzen”): dabei werden die Krebszellen mit abtötenden oder deren Vermehrung hemmenden Medikamenten behandelt
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Hochdosischemotherapien mit autologer oder allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation
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Bestrahlung
Auswahl eines geeigneten Therapieverfahrens
Bei der Auswahl des geeigneten Therapieverfahrens spielt zum einen die Eigenschaft des Multiplen Myeloms eine wichtige Rolle, sodass in Fällen mit aggressivem Verlauf anders behandelt wird als bei weniger aggressiven Fällen. Zum anderen spielen auch die individuellen Voraussetzungen des/der PatientIn eine große Rolle bei der Therapieentscheidung. Entscheidend sind dabei z.B. das Alter sowie eventuelle Begleiterkrankungen, die die Durchführbarkeit einer Hochdosischemotherapie bestimmen können.
Heute werden bei jedem/jeder PatientIn zu Beginn der Therapie krankheitsspezifische Risikofaktoren, wie z.B. genetische Veränderungen in den Myelomzellen (FISH) erhoben. Des weiteren wird es in Zukunft möglich sein, durch Erbgutanalysen des/der PatientIn zusätzliche Risikofaktoren zu untersuchen, die z.B. das Ansprechen auf eine bestimmte Therapie vorhersagen oder das Auftreten einer bestimmten Medikamentennebenwirkung begünstigen.
Die systemische Therapie
Eine systemische Therapie tötet bösartige Plasmazellen ab. Ziel dabei ist es, die Krankheit zurückzudrängen. Dies geschieht unabhängig davon, wo sich diese Myelomzellen im Körper ausbreiten. Eine systemische Therapie beinhaltet wirksame Medikamente gegen Krebszellen (Myelomzellen), die oral eingenommen werden (geschluckt) oder über eine Infusion in die Vene (intravenös, i.v.) oder eine Spritze unter die Haut (subkutan, s.c.) angewendet werden.
In aller Regel werden mehrere Medikamente verschiedener Substanzklassen miteinander kombiniert. Die Behandlungen erstrecken sich normalerweise über mehrere Monate. Meistens werden sie ambulant durchgeführt. Die Behandlung erfolgt in den meisten Fällen in Zyklen, um dem Immunsystem und der Blutbildung des/der PatientIn, welche durch die Therapie angegriffen werden können, zwischenzeitlich eine Erholung zu ermöglichen.
Die Therapie wird als wirksam angesehen, wenn sie die erhöhten Blut-/Urin-Immunglobulinspiegel und/oder den Prozentsatz der Plasmazellen im Knochenmark absenkt bzw. zu einer Verkleinerung der Plasmazell-Weichteiltumoren führt oder wenn zumindest eine Stabilisierung auf niedrigerem Niveau erreicht wird.
Es gibt zahlreiche Chemotherapeutika, die oft in unterschiedlichsten Kombinationen und Dosierungen – entsprechend der individuellen Krankheitssituation - angewendet werden.
Therapie mit Zytostatika
Als Zytostatika werden Substanzen bezeichnet, die für die klassische Chemotherapie entwickelt wurden. Diese Medikamente treffen alle Körperzellen, die ihr Erbgut verdoppeln, um sich zu teilen. Dies erklärt zum einen ihre Wirksamkeit gegen bösartige Zellen, die in der Regel ein rasches Wachstum und somit eine hohe Rate an Zellteilung aufweisen. Zum anderen führt ihr Einsatz auch zu den typischen Nebenwirkungen einer Chemotherapie, da auch gesunde Zellen mit hoher Teilungsaktivität abgetötet werden. Dies sind z.B. Haarwurzelzellen (Haarverlust), Schleimhautzellen (Mundschleimhautentzündung oder Durchfall), Zellen des blutbildenden Systems und des Immunsystems (Blutarmut und Abwehrschwäche).
Das früher gefürchtete Auftreten von Übelkeit und Erbrechen kann mittlerweile durch Begleitmedikation weitgehend unter Kontrolle gebracht werden.
Trotz der Einführung modernerer Substanzen bei der Therapie des Multiplen Myeloms, wie z.B. Proteasominhibitoren, bildet diese Substanzklasse auch weiterhin eine wichtige Basis.
Häufig angewandte Zytostatika: (alphabetische Reihung)
Bendamustin
Cyclophosphamid
Doxorubicin (pegyliert liposomal)
Melphalan
Immer in Kombination mit:
Dexamethason oder Prednison
Proteasom-Inhibitoren
Bei Proteasom-Inhibitoren handelt es sich um eine neuartige Klasse von Medikamenten, die den Abbau von wichtigen bzw. auch nicht mehr benötigter, oder fehlerhaften Proteine in Körper- und Tumorzellen hemmen. Nachdem dadurch der Haushalt für das Zellwachstum wichtiger Faktoren verändert wird kann dies zum Absterben von Myelomzellen führen.
Zugelassene Proteasom-Inhibitoren: (alphabetische Reihung)
Bortezomib
Carfilzomib
Ixazomib
Derzeit befinden sich eine Reihe weiterer Proteasom-Inhibitoren in der klinischen Entwicklung oder in Studienprogrammen, haben allerdings noch keine Zulassung für die Therapie (z.B. Oprozomib und Marizomib).
Immunmodulatoren
Sie gehören ebenso wie Proteasom-Inhibitoren zu den wirksamsten Substanzen beim multiplen Myelom. Durch Ihre Bindung an bestimmte Zellstrukturen wird der Abbau von für das Myelom wichtigen Wachstumsfaktoren eingeleitet und damit eine Tumorreduktion erreicht. Außerdem stärken sie bestimmte Funktionen im Abwehrsystem.
Zugelassene Immunmodulatoren: (alphabetische Reihung)
Lenalidomid
Pomalidomidomib
Thalidomid
Monoklonale Antikörper
Monoklonale Antikörper werden in der Krebstherapie bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzt (z.B. bei Lymphomen oder Darmtumoren). Sie binden spezifisch an Strukturen der Krebszelle wodurch die körpereigene Abwehr gezielt gegen bösartigen Zellen gerichtet werden kann, darüber hinaus kann es auch zur direkten Abtötung oder Wachstumshemmung der Krebszelle selbst kommen. Beim Multiplen Myelom finden Monoklonale Antikörper zunehmend Anwendung. Die ersten beiden Vertreter diese Substanzklasse sind bereits zur Therapie des vorbehandelten Multiplen Myeloms zugelassen.
Verfügbare Monoklonale Antikörper: (alphabetische Reihung)
Daratumumab
Elotuzumab
Hochdosistherapie und Blutstammzelltransplantation
Eine Hochdosistherapie gefolgt von einer Blutstammzelltransplantation wird eingesetzt, um ein möglichst tiefes Ansprechen und eine dauerhafteste Remission zu erreichen. Sie beinhaltet zuerst eine Hochdosis-Chemotherapie, typischerweise mit einem klassischen Zytostatikum (Melphalan). Die Behandlung ist so aggressiv, dass nahezu das gesamte Knochenmark des/der PatientIn vorübergehend zerstört wird. Daher ist anschließend zur Unterstützung der normalen Blutbildung eine Transplantation von Blutstammzellen die zuvor vom Patienten gesammelt wurden, notwendig. Die Transplantation der Blutstammzellen fördert die Regeneration des gesunden Knochenmarks und verkürzt die Zeit in der der Körper keine eigenen Blut- und Abwehrzellen bilden kann. Das Prinzip dahinter ist, dass durch die Zerstörung des Knochenmarks möglichst auch alle bösartigen Myelomzellen vernichtet werden.
Die Transplantation von Stammzellen aus dem Blut bzw. Knochenmark erfordert einen Krankenhausaufenthalt, gefolgt von einer Zeit verminderter Aktivität. Es ist die aggressivste der heute eingesetzten Behandlungsverfahren und ist mit einem größeren Risiko an Nebenwirkungen verbunden. Sie ist allerdings auch jene Behandlungsoption mit dem besten Ansprechen.
Autologe periphere Blutstammzelltransplantation (auto-PBSCT)
Die auto-PBSCT ist sowohl als Erstlinien- als auch als Rezidiv-Therapie etabliert. Dieses Verfahren hat sich als Standardtherapie für PatientInnen bis zum 70. Lebensjahr bewährt. Im Gegensatz zur autologen Knochenmarktransplantation werden die Stammzellen nicht direkt aus dem Knochenmark, sondern aus dem Blutkreislauf gewonnen. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die Zeit bis zum Wiedereinsetzen der Blutbildung viel kürzer (ca. 12-14 Tage) ist als nach Knochenmarktransplantation (ca. 28 Tage oder mehr). Zudem ist das Verfahren im Vergleich zur Knochenmarktransplantation weniger belastend für den/die PatientIn. Eine Hochdosistherapie, gefolgt von der Transplantation autologer Blutstammzellen, erhöht die Rate kompletter Remissionen im Vergleich zu 10-30 % nach einer konventionellen Chemotherapie auf 30-50 %.
Allogene periphere Blutstammzelltransplantation (allo-PBSCT)
Die allogene periphere Blutstammzelltransplantation (allo-PBSCT) hat die allogene Knochenmarktransplantation
zurückgedrängt. Eine allogene Transplantation sollte heute beim Multiplen Myelom nur mehr in bestimmten Fällen mit extremer Hochrisiko-Konstellation als Ersttherapie durchgeführt werden. Für Patienten mit Rezidiv sollte diese Behandlung, wenn überhaupt nur in kontrollierten Studien erfolgen (laut internationaler Expertengruppe, IMWG). Allerdings werden solche derzeit nicht durchgeführt.
Bestrahlung
Das Multiple Myelom ist eine “strahlensensible” Krebserkrankung, d.h. Myelomzellen sterben ab, sobald sie radioaktiver Strahlung ausgesetzt werden. Die Bestrahlung wird dort örtlich vorgenommen, wo das Wachstum der Myelomzellen starke Knochenzerstörungen und Knochenschmerzen auslöst bzw. lokale Schmerzen oder neurologische Ausfälle durch Weichteiltumore aufgetreten sind. Durch die Bestrahlung werden bösartige Zellen lokal schneller und in der Regel mit weniger systemischen Nebenwirkungen als bei der Chemotherapie zerstört.
Eine Bestrahlung kann auch in Verbindung mit Chemotherapie angewendet werden. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten und auf eine Schädigung des gesunden Knochenmarks zu achten, da sowohl die Strahlen- als auch die Chemotherapie die Blutbildung beeinträchtigen können. Allerdings werden beim Multiplen Myelom in der Regel nur kleine Areale bestrahlt, sodass die oft geäußerte Sorge vor Knochenmarkschädigung unbegründet erscheint. Aus dieser Überlegung und Erfahrung heraus kann eine Bestrahlung eines oder zweier begrenzter kritischer Areale auch gleichzeitig mit der Chemotherapie erfolgen.
Therapieoptionen bei wiederkehrendem (rezidivierendem) Multiplen Myelom
Trotz Therapie eines neu diagnostizierten Multiplen Myeloms kann es in den Folgejahren zu einer erneuten Aktivierung der Erkrankung kommen. Wann dieses erneute Aufflammen des Multiplen Myeloms (Rezidiv) auftritt, ist nur schwer vorhersagbar. Bei manchen PatientInnen ist dies bereits wenige Monate nach Beendigung der Primärtherapie, andere PatientInnen sind noch nach 15 Jahren in einer stabilen Remission. Nicht jedes Wiederauftreten einer neuerlichen Krankheitsaktivität bedingt automatisch auch die Notwendigkeit für eine sofortige Therapie. Die Entscheidung ob neuerlich therapiert werden muss hängt von mehreren Faktoren wie z.B. der Aggressivität ab. Wenn eine erneute Therapie notwendig ist, stehen heutzutage eine Vielzahl an gut wirksamen neuen Behandlungsoptionen zur Verfügung. Welche Therapievariante gewählt wird, hängt ebenso von unterschiedlichen Parametern ab. Meist werden Substanzen verwendet, die in der ersten Therapie nicht oder nur kurzzeitig verwendet wurden – vor allem wenn seit dieser Therapie erst wenig Zeit verstrichen ist. Sind aber bereits mehrere Jahre vergangen, kann durchaus auch der Einsatz eines bereits erfolgreich angewendeten Therapieschemas erfolgreich sein.
Die Diskussion hinsichtlich des Stellenwerts der autologen Blutstammzelltransplantation (auto-PBSCT) bei einem Rezidiv hat durch die neuen Medikamente und die damit verbesserten Therapieoptionen für RezidivpatientInnen eine neue, zusätzliche Facette erhalten. Die Entscheidung muss von Fall zu Fall vom Behandlungsteam gemeinsam mit dem/der PatientIn evaluiert und getroffen werden.
Neue Substanzen
Nach umfassenden Labor- und Tierversuchen müssen Wirkung und Nebenwirkungen neuer Substanzen auch an PatientInnen in Form von klinischen Studien geprüft werden. Dazu ist eine wissenschaftliche Studienplanung, die Zustimmung einer Ethikkommission und die ständige Kontrolle der Studiendurchführung erforderlich. Dies ermöglicht PatientInnen eine weitgehend sichere Teilnahme an solchen Studien. PatientInnen können im Rahmen einer freiwilligen Teilnahme an solchen Studien von der Wirkung neu erforschter Substanzen profitieren.
Mögliche Vorteile einer Studienteilnahme:
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frühzeitiger Zugang zu neuen Behandlungsmöglichkeiten oder diagnostischen Neuerungen
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engmaschigere und intensivere Überwachung und ärztliche Betreuung
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profitieren von einer möglicherweise verbesserten Wirkung neuer Therapieoptionen
Mögliche Risiken und Nachteile einer Studienteilnahme:
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neue Therapieoptionen könnten unbekannte Risiken/Nebenwirkungen beinhalten
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neue Therapieoptionen könnten weniger wirksam sein als die bisher verwendeten Therapien
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die Notwendigkeit häufigerer und umfangreicherer Untersuchungen kann als Belastung empfunden werden
Bedenken sie aber dass alle Therapien, die heute als Standard angeboten werden, zuvor in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit geprüft wurden. Andere Patienten haben somit zum Wissensgewinn beigetragen von dem wir heute profitieren. Daher erscheint es vielen, unabhängig vom eventuellen Nutzen klinischer Studien, eine Frage der Solidarität zu sein, an Studien teilzunehmen. Das Solitarsystem ermöglicht uns auch heute besonders teure Medikamente allen Patienten, die dieser bedürfen, anzubieten; eine Situation die nur in wenigen Länder gegeben ist.
Vor Studienbeginn prüft eine Ethikkommission aus unabhängigen Gutachtern, ob eine Studie nach medizinischen, rechtlichen und ethischen Gesichtspunkten vertretbar ist. Die Teilnahme an klinischen Studien ist für PatientInnen immer freiwillig und muss von den PatientInnen immer durch eine Unterschrift autorisiert werden. Vor einer Studienteilnahme erfolgt eine umfassende Aufklärung des/der PatientIn durch eine/n Arzt/Ärztin und durch schriftliche Informationsunterlagen. Studienteilnehmer können ihre Einwilligung zur Teilnahme jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen, ohne dass ihnen hierdurch irgendwelche Nachteile entstehen, insbesondere in Bezug auf ihre weitere Behandlung.
Quellen:
Patienten-Handbuch Multiples Myelom - 2017; Überarbeitete und ergänzte Auflage August 2017 mit Unterstützung der Plasmozytom-Selbsthilfe Rhein-Main Wiesbaden und Myelom Deutschland e.V und unter Mithilfe von Herrn Prof. Dr. Jens Hillengaß, Herrn PD Dr. Dr. Dipl.-Phys. Dirk Hose, Herrn PD Dr. Marc-Steffen Raab, Frau Dr. Uta Bertsch, Frau PD Dr. Ute Hegenbart, Herrn Dr. Marc-Andrea Bärtsch, Herrn Dr. Elias K. Mai und Herrn Prof. Dr. Hartmut Goldschmidt; Sektion Multiples Myelom, Medizinische Klinik V, Universitätsklinikum Heidelberg und Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg (NCT) und Plasmozytom-Selbsthilfe Rhein-Main; Stand 2017
Der blaue Ratgeber: Plasmozytom – Multiples Myelom, Antworten, Hilfen, Perspektiven; Deutsche Krebshilfe; Stand 2011
Li Peiwein et al.; Chinesische Medizin in der Onkologie – Konstitutionelle Unterstützung und Begleittherapie; Verlag URBAN & FISCHER, 1. Auflage 2007